Wie politische Erfahrungen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien für die Tierrechtsbewegung genutzt werden können

Ideen zur Implementierung von Zoopolis
Wie politische Erfahrungen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien für die Tierrechtsbewegung genutzt werden können

1 Einleitung
Im November 2011 erschien das Buch Zoopolis von den Kanadiern Sue Donaldson und Will Kymlicka . Es stellt eine Reihe bahnbrechender Ideen zur politischen Integration von Tieren und Menschen vor. Dabei wird beschrieben, wie das theoretische Konzept der Staatsbürgerschaft auch auf Tiere angewandt werden kann.
Im vorliegenden Artikel wird erklärt, wie die Erfahrungen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien für die Implementierung der Zoopolis-Ideen genutzt werden können. Hintergrund für diesen Ansatz ist, dass es zwischen der Tier- und der Energiewirtschaft eine Reihe von Gemeinsamkeiten gibt. Es werden allerdings auch einige Unterschiede betrachtet, denn beispielsweise erfordert der Energiesektor „nur“ eine Transformation, während die kommerzielle Nutzung von Tieren letztendlich auf ihre Abschaffung hinauslaufen müsste. Abschließend werden sechs politische Empfehlungen zur Umsetzung von Zoopolis gegeben, die ursprünglich für den Erneuerbare-Energien-Sektor entwickelt wurden.

2 Zoopolis – Kurzbeschreibung
Zoopolis basiert auf der klassischen Tierrechtstheorie, wonach Tieren mit Bewusstsein unverletzliche Rechte zugestanden werden müssen. Diese universellen Grundrechte beinhalten den Schutz vor Tötung, Versklavung, Folterung oder Einkerkerung. Zoopolis geht jedoch weit darüber hinaus und nutzt das Staatsbürgerschaftsrecht, um die Forderung aufzustellen, dass Tieren auch politische Rechte zustehen.
Dazu ist es notwendig, Tiere abhängig von ihrem Verhältnis zum Menschen verschiedenen Gruppen zuzuordnen, genauso wie auch Menschen in Gruppen mit unterschiedlichen Rechten eingeteilt werden – Staatsbürger eines Landes haben andere Rechte und Pflichten als Immigranten, Touristen, Asylsuchende oder kurzfristig Beschäftigte aus dem Ausland. Zoopolis teilt Tiere in drei Kategorien ein: Domestizierte Tiere, wilde Tiere und sogenannte Schwellenbereichstiere.
Domestizierten Tieren (Hunde, Katzen, Kühe, Schweine, etc.) sollten, da sie von Menschen abhängig sind, wie Staatsbürger behandelt werden. Dies bedeutet nicht, dass diese Tiere sämtliche staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten ausüben können müssen; genauso wenig wie alle Menschen dazu in der Lage sind: So können z. B. auch Kinder und Menschen mit bestimmten Behinderungen nicht eigenständig wählen, sind aber trotzdem vollwertige Mitglieder der Gesellschaft, deren Anliegen und Interessen beachtet und vertreten werden müssen.
Auf der anderen Seite stehen „echte“ Wildtiere (Wölfe, Löwen, etc.), die prinzipiell den Menschen meiden und daher wie Mitglieder autonomer Gesellschaften mit eigenen Souveränitätsrechten in ihren Territorien angesehen werden sollten. Dies ist vergleichbar mit der Souveränität von Bevölkerungsgruppen anderer Staaten oder auch innerhalb von Nationalgrenzen (z. B. bestimmter Indianerstämme in Nordamerika).
Dazwischen gibt es als dritte Kategorie die Schwellenbereichstiere (oder Grenzgänger bzw. Kulturfolger wie Spatzen, Füchse, Ratten, Eichhörnchen, Wildschweine usw.), welche sich in unterschiedlichem Maße mit dem Menschen arrangiert haben. Diese Tiere lassen sich als „Einwohner“ einstufen, also als Mitglieder bzw. Mitbewohner menschlicher Gemeinschaften, ähnlich wie bestimmte Flüchtlinge oder Saisonarbeiter.
In Zoopolis werden die vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen und Tieren logisch und mit zahlreichen Beispielen anschaulich erklärt, indem sie an den komplexen Beziehungen und staatsbürgerschaftlichen Rechten, wie sie zwischen Menschen existieren, gespiegelt werden.

3 Ansatz
Die Einführung von politischen Rechten für Tiere erfordert einen Paradigmenwechsel, so wie auch die Abschaffung der Sklavenhaltung oder die politische Gleichstellung der Frau im Laufe der Menschheitsgeschichte Paradigmenwechsel darstellten.
In diesem Artikel soll untersucht werden, welche Schlüsse sich für die Tierrechtsbewegung aus jenem Paradigmenwechsel gewinnen lassen, welcher bei der Umstellung der Energiesysteme auf Erneuerbare Energien (Sonne, Wind, Geothermie, Biomasse, Wasserkraft) bedeutend ist. Die nähere Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Tier- und Energiewirtschaft kann potenziell zu neuen Erkenntnissen für beide Sektoren führen.
Wenn im folgenden von Tierwirtschaft gesprochen wird, sind im wesentlichen die Sektoren der Fleisch- und Milchwirtschaft gemeint und somit die domestizierten Tiere. Allerdings ist es das Ziel, die Erfahrungen aus dem Bereich der Energiewirtschaft möglichst weitgehend für die Einführung von politischen Rechten für alle Tiere mit Empfindungsvermögen anzuwenden, also z. B. auch auf Schwellenbereichs- und Wildtiere, die gejagt oder ausgebeutet werden (z.B. Fische, Rehe, etc.).

4 Gemeinsamkeiten zwischen Tierwirtschaft und Energiewirtschaft
4.1 Kulturelle Verankerung, Einfluss auf das tägliche Leben und Lobbys

Die Tierwirtschaft ist kulturell stark verankert: Fleisch, Milch, Eier, Fisch, Leder, etc. werden seit Jahrhunderten konsumiert und genutzt. Diese Gewohnheiten und Traditionen hinter sich zu lassen, erfordert einschneidende Veränderungen. Ganze Landstriche, die der Weidewirtschaft dienen, könnten sich wandeln; Läden, Restaurants und auch bestimmte Städte oder Regionen spezialisiert auf Fleisch-, Käse- und Fischspezialitäten müssten sich umstellen; der Bekleidungsindustrie stünden tierliche Materialien nicht mehr zur Verfügung.
Auch die Nutzung fossiler Energieträger oder -technologien hat das Leben der Menschen insbesondere seit der industriellen Revolution grundlegend beeinflusst. Bei einem Übergang hin zu einer Vollversorgung durch Erneuerbare Energien wird zwar Strom wohl weiterhin aus der Steckdose kommen, aber bestimmte Gewohnheiten (Heizen, Fliegen, Autofahren) und Sektoren wie Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung werden sich teilweise grundlegend ändern müssen.
Im Tierbereich hat die Fleisch- und Milchindustrie ein starkes Interesse, die bestehenden Gesetze nicht zu ändern oder zu verschärfen. Auch die oben erwähnten Städte und Regionen, die wirtschaftlich von Tierprodukten abhängig sind, gehören zu den Befürwortern des Status quo.
In der Energiewirtschaft sind die Lobbys der großen Energieversorger, die energieintensiven Industrien und die Mineralölwirtschaft aktiv. Diese Firmen haben viel Geld, viele Mitarbeiter, starken politischen Einfluss und sind weit verflochten mit dem Leben aller Bürger.

4.2 Umweltauswirkungen und Notwendigkeit von Änderungen
Sowohl der Tiersektor als auch der Energiesektor haben extreme Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Beide Sektoren müssen daher notwendigerweise umdenken. Eine wachsende Weltbevölkerung kann nicht nachhaltig mit Fleisch ernährt werden. Aber abgesehen vom Wohl des Menschen, missachtet die Tierwirtschaft die Grundrechte domestizierter Tiere und schränkt den Lebensraum von Wildtieren, und damit ihre Souveränitätsrechte, massiv ein.
In der Tierwirtschaft entstehen Kohlendioxid-, Ammoniak-, Methan- und Lachgas-Emissionen durch die Ausdünstungen und Ausscheidungen der Tiere selbst sowie in der Landwirtschaft für den Futtermittelanbau und den damit verbundenen Energieverbrauch. Natürlich würden domestizierte Tiere auch bei der Umsetzung von Zoopolis Emissionen verursachen, aber sie wären erheblich geringer, da es viel weniger Tiere gäbe – es wird geschätzt, dass Nutztiere etwa zwei Drittel der Masse der Landwirbeltiere ausmachen, die Menschen ein knappes Drittel und wilde Tiere lediglich 3% .
Die Energiewirtschaft kann sich nur noch wenige Jahrzehnte auf fossile Ressourcen stützen, insbesondere wenn die Anzahl der Menschen und ihr Energiebedarf weiter steigen. Der Energiesektor ist für den Großteil der Kohlendioxid- sowie einer Reihe anderer schädlicher Emissionen verantwortlich.

4.3 Aufgeschlossenheit von Teilen der Bevölkerung, aber geringe Bereitschaft zur Verhaltensänderung; alternative Angebote
Die meisten Menschen verurteilen generell Tierquälerei. Allerdings verschließen auch die meisten die Augen, wenn es um das millionenfache Leid von sogenannten Nutztieren geht. Viele Menschen (wobei unklar ist, ob es die Bevölkerungsmehrheit oder eine –minderheit ist) haben zumindest ab und zu ein schlechtes Gewissen bzw. sind sich des Widerspruchs von Fleischverzehr und Tierschutz bewusst.
Mittlerweile gibt es vermehrt vegetarische und vegane Firmen, Läden oder Restaurants mit den entsprechenden alternativen Angeboten für Endverbraucher. In vielen Ländern kann man zumindest in den größeren Städten eine weitgehende vegane Lebensweise führen.
Vergleichbar dürfte den meisten Menschen mittlerweile klar sein, dass die Nutzung fossiler Energie Nachteile wie Umweltverschmutzung und Klimawandel mit sich bringt. Trotzdem ist die Bereitschaft, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, weiterhin eher gering. Ungeachtet millionenfacher Solaranlagen hat der Großteil der deutschen Bevölkerung immer noch nicht den Stromanbieter gewechselt; der Verzicht auf das Auto oder Flugzeug fällt vielen schwer. Mangelnde Informationen über die Auswirkungen der Energienutzung spielen hier eine Rolle, insbesondere aber der fehlende (finanzielle und gesellschaftliche) Anreiz oder Zwang, Verhalten zu ändern.
Erneuerbare-Energien-Technologien sind mittlerweile Alternativen, da viele von ihnen ausgereift und in einer ständig wachsenden Anzahl von Regionen auch bereits wettbewerbsfähig gegenüber konventionellen Energien sind. Dabei ist bemerkenswert, dass viele Hersteller, Projektentwickler und Energieversorger noch vergleichsweise junge Unternehmen sind, die in vielen Fällen nicht aus der konventionellen Energiebranche kommen. Auch einzelne Hausbesitzer können nun zu Stromproduzenten werden, und stellen somit eine Herausforderung für die etablierten Firmen dar.

4.4 Wichtigkeit von politischen Visionen bei Umsetzung durch den Einzelnen
Für die Erneuerbaren Energien gibt es mittlerweile zahlreiche Studien , die eine 100% erneuerbare Energiewirtschaft beschreiben. Obwohl dies bis vor wenigen Jahren noch als weitgehend unrealistisch abgetan wurde, folgen mittlerweile bereits viele Regionen diesem Ziel (allein in Deutschland sind es über einhundert Städte, Gemeinden und Landkreise). Das Interessante daran ist, dass es durch das Einbringen des 100%-Ziels und die nachvollziehbare Erklärung, dass und wie es zu erreichen ist, die mühsame Debatte um ein schrittweise Hinausschieben der Zielmarke umgangen werden konnte.
Dieser radikale Ansatz, die bestmöglichen (und langfristig wohl auch realistischsten) Verhältnisse von Anfang an zu definieren, ist auch die Chance von Zoopolis. Dadurch lassen sich in Bezug auf Tiere die Diskussionen um Käfiggrößen überspringen, und das wahre Ziel einer gerechten Welt, welche Menschen und Tiere gleichermaßen miteinbezieht, wird sichtbar. Im Bereich der Tierwirtschaft gibt es bisher jedoch nicht einmal langfristige Ansätze, den Fleisch- oder Milchkonsum zu reduzieren.
Unabhängig von politischen Visionen und konkreten Zielen können aber in beiden Sektoren Veränderungen auch von jedem einzelnen vorgenommen werden, beispielsweise durch den Verzicht auf Fleisch oder den Wechsel zu einem Ökostromanbieter. Auch Kommunen und Länder können aktiv werden, z. B. durch Verbote der Ansiedlung von Massentierhaltungen oder Nichtgenehmigung von Kohlekraftwerken. Insofern kann ein Wandel „bottom-up“ – von unten nach oben – in beiden Sektoren erfolgen. Trotzdem sind auch „top-down“ Maßnahmen – also von oben nach unten – und internationale Abkommen nötig, um den Wandel zu beschleunigen bzw. um zu verhindern, dass sich bestimmte Industrien einfach verlagern.

5 Unterschiede zwischen Tierwirtschaft und Energiewirtschaft
5.1 Transformation vs. Abschaffung

Ein entscheidender Unterschied zwischen Tierwirtschaft und Energiewirtschaft ist, dass ein Mensch zum Leben Energie notwendigerweise braucht (eine moderne Gesellschaft ohne Strom und Mobilität ist schwer vorstellbar), während er auf tierliche Produkte verzichten kann (abgesehen von bestimmten Weltregionen, in denen Menschen ohne Viehwirtschaft oder Fleisch- bzw. Fischkonsum bisher noch nicht überleben können). Das bedeutet, dass sich die Energiewirtschaft zwar von einem fossil/nuklearen auf ein erneuerbares System umstellen muss, sie jedoch im Gegensatz zur Tierwirtschaft nicht komplett abgeschafft würde, was bei einer konsequenten Umsetzung der Tierrechte gemäß Zoopolis der Fall wäre.
Allerdings könnte die Tierwirtschaft jedoch ohne gravierende Auswirkungen für den Großteil der Bevölkerung verschwinden. Betroffen wären natürlich die Menschen, welche in der Tierwirtschaft arbeiten, und damit ökonomisch von ihr abhängig sind. Für diese Menschen – genauso wie für jene, die im konventionellen Energiebereich tätig sind – müssen geeignete Maßnahmen geschaffen werden, um ihnen den Einstieg in andere Jobs zu ermöglichen.
Der Konsum von tierlichen Produkten würde größtenteils durch pflanzliche ersetzt. Der Anbau von Pflanzen für Lebensmittel und Produkte findet schon heute statt und könnte sich sogar reduzieren, da zur Zeit ein großer Teil der Ackerflächen für die Futtermittelproduktion genutzt wird. Einige Anwendungen, z. B. Lederprodukte für Schuhe, würden wohl für eine Zeitlang durch petrochemische Produkte ersetzt, bis nachhaltigere Alternativen entwickelt werden.

5.2 Finanzieller Aufwand der Umsetzung
In der Energiewirtschaft sind hohe Investitionen in erneuerbare Technologien notwendig, um konventionelle Technologien zu ersetzen. Erst neue Kraftwerkskapazitäten, intelligente Netze, Speicherlösungen, energieeffiziente Geräte und Gebäude etc. machen eine Energiewende möglich (aber selbst ohne Energiewende müssen Ersatzinvestitionen getätigt werden).
Im Gegensatz dazu ist festzustellen, dass für die Abschaffung der Tierwirtschaft keine oder nur vergleichsweise geringe Neuinvestitionen benötigt werden. Zwar müssten Anlagen wie Viehmastbetriebe, Schlachthöfe und Fischereischiffe abgeschrieben oder wo möglich in eine andere Nutzung überführt werden (dies würde übrigens auch auf Biogasanlagen zutreffen, deren Betrieb auf Gülle basiert). Hauptsächlich fallen aber soziale Übergangskosten an: So würden Steuereinnahmen entfallen und in der Tierwirtschaft Beschäftigte müssten zumindest übergangsweise Unterstützung bekommen. Um die sozialen Auswirkungen besser abschätzen zu können, sind Studien notwendig, welche die von der Tierwirtschaft abhängigen Personen ermitteln.

5.3 Ökonomische Anreize und Möglichkeiten der Einflussnahme
Da die Energiewirtschaft bei einem Wechsel zu erneuerbaren Energien generell erhalten bleibt, gibt es auch Möglichkeiten, sich in diesem Sektor ökonomisch zu betätigen. Insofern gibt es auch Akteure und Firmen, die neue Geschäftsmöglichkeiten sehen und den Wandel vorantreiben.
Die Einführung politischer Rechte für Tiere dagegen wird keine (oder nur sehr begrenzte) Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Es fehlt daher ein wichtiges Zugmittel: Geld. Eine gerechte Welt für Tiere wird nur aus der ethischen Motivation heraus getragen, und dies auch nur von den Menschen, nicht von den Tieren selbst. Im Vergleich dazu konnten z. B. Sklaven ihr Interesse an der Abschaffung der Sklaverei auch äußern, oder Frauen konnten die Frauenbewegung aktiv unterstützen. Tiere sind dagegen ganz vom Willen des Menschen abhängig. Insofern ist der Einsatz für Tierrechte eher mit dem Einsatz für die Rechte der Kinder vergleichbar, wo es auch nur einen ethischen, keinen finanziellen Antrieb gibt und nur eingeschränkte Möglichkeiten der Verbalisierung und politischen Einflussnahme durch die Kinder selbst.

6 Sechs politische Programmpunkte zur Abschaffung der Tierwirtschaft
Wie kann nun der Prozess der Abschaffung der Tierwirtschaft stattfinden? In vielen Punkten kann die Tierrechtsbewegung von der Erneuerbare-Energien-Bewegung lernen, da die Debatte im Bereich der Erneuerbaren Energien und deren Verbreitung bereits erheblich weiter ist. Wobei hier darauf geachtet werden muss, dass die Tierwirtschaft sich ja selbst abschaffen soll, d. h., die treibenden Akteure werden nicht aus der Tierwirtschaft kommen.
Im Jahr 2012 hat die von neun Staaten unterstützte Plattform der Internationalen Energie Agentur, IEA-RETD (Renewable Energy Technology Deployment), sechs politische Empfehlungen für den Bereich der erneuerbaren Energien veröffentlicht, welche zusammengefasst den sogenannten ACTION Star ergeben: Alliance building, Communicating, Target setting, Integrating, Optimizing, Neutralizing.

Diese Empfehlungen lassen sich generell auch auf den Tierrechtsbereich übertragen. Dabei ist dies als ein erster Ansatz für eine breitere Diskussion zu betrachten, der keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit erhebt.

6.1 Allianzen schmieden
Tierrechtsgruppen, Vegetarier, Veganer, aufgeklärte Konsumenten, fortschrittliche Politiker, Journalisten, vegane Produzenten und Läden, Umweltschützer, Philosophen, Staatsrechtler, Juristen, etc. sollten anfangen, über die politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen des Zoopolis-Ansatzes zu diskutieren. Aus diesen Diskussionen könnten sich Gruppierungen bilden, die bestimmte Aspekte näher untersuchen, erste Gesetzesentwürfe entwickeln oder Pilotprojekte in gewissen Regionen starten. Der Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene ist wichtig, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu vermeiden, dass Fehler wiederholt werden.

6.2 Kommunizieren
Die Kommunikation der Thesen von Zoopolis an die breite Öffentlichkeit sollte behutsam vorgenommen werden, um zu starke, ablehnende Reaktionen zu vermeiden. Wichtig ist die fundierte, rationale Argumentation, welche innerhalb der genannten Interessengruppen geprobt und vertieft werden sollte. Aufklärung über die Tierwirtschaft und die Möglichkeiten der politischen Tierrechte sollten im Mittelpunkt stehen.

6.3 Ziele setzen
Obwohl es wohl noch zu früh ist, konkrete Zeitpunkte für Ziele zu setzen, sollten konkrete politische Ziele trotzdem definiert werden. Manche Ziele, wie die Abschaffung der Massentierhaltung, sind ja bereits in der politischen Debatte. Eine Art Vision für einen Zeitraum von etwa 50 Jahre wäre hilfreich, um die Menschen auf ein gemeinsames Ziel einzustimmen. Dabei ist auch die Definition von Zwischenzielen unabdingbar, z.B. wäre denkbar, Tierrechte nach und nach auf verschiedene Gruppen auszuweiten, schließlich würden Staatsbürgerrechte für Hunde und Katzen wohl eher akzeptiert werden als für Schweine und Kühe. Auch Souveränitätsrechte für Bären ließen sich vergleichsweise einfacher durchsetzen als Einwohnerrechte für Ratten.

6.4 Integrieren
Tierrechte sollten in den Entstehungsprozessen politischer Programme direkt verankert werden. Dabei gilt es, die Synergien mit anderen Bereichen zu nutzen, z. B. Themen wie Menschenrechte (insbesondere im Hinblick auf die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft wie Flüchtlinge, Immigranten, Menschen mit Behinderung, Kinder; diese Gruppen können – ähnlich wie Tiere – tendenziell unterdrückt oder ausgebeutet werden bzw. benötigen die solidarische Hilfe der Gesellschaft), Stadtentwicklung (Grünflächen, Verkehrs- und Lärmreduktion sind vorteilhaft sowohl für Menschen als auch domestizierte Tiere bzw. Tiere im Schwellenbereich), Regional- und Raumordnungsplanung (Gebiete für wilde Tiere).

6.5 Optimieren
Wo Länder bereits gute politische Ansätze zu Tierrechten, aber auch zu anderen relevanten Rechtsgebieten wie Immigranten- oder Behindertenrecht aufweisen, sollten diese aufgenommen, kopiert, weiterentwickelt und an die spezifischen Umstände angepasst werden. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind beispielsweise häufig schon sehr fortschrittlich, was den Schutz von Wildtierarten anbelangt.

6.6 Neutralisieren
Die enormen externen Kosten und Subventionen der Tierwirtschaft und das Tierleid sind vielen Menschen entweder nicht bewusst oder sie werden verdrängt. Solange es Tierprodukte zu kaufen gibt, müssen diese zumindest die externen Umweltkosten widerspiegeln, ggf. durch zusätzliche Steuern und strenge Umweltanforderungen, damit die Kostenvorteile, welche Tierprodukte häufig gegenüber Nicht-Tierprodukten haben, neutralisiert werden.

7 Nächste Schritte
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass insbesondere der erste Punkt „Allianzen schmieden“ in der nächsten Zeit entscheidend ist, um die öffentliche Debatte über die Chancen und Auswirkungen der Umsetzung der politischen Forderungen von Zoopolis in Gang zu bringen. Dabei sollte zunächst das Buch weiter bekannt gemacht werden, z. B. durch Besprechungen auf den Webseiten von Tierschutzinitiativen, Parteien, Universitäten oder Zeitungen. Die juristischen, politischen und philosophischen Lehrstühle der Universitäten sollten weitere theoretische Grundlagen erarbeiten. Daneben ließen sich Konferenzen oder Workshops organisieren, welche auch bereits Umsetzungskonzepte erarbeiten könnten. Erste Ansätze in diese Richtung sind erfreulicherweise bereits zu sehen.

Kristian Petrick
All Green Energies

Der Autor ist Berater im Bereich der Erneuerbare Energien.
Dieser Artikel erschien im Magazin „Tierbefreiung“ im März 2014.
PDF-Version:
Zoopolis_Implementierung mit Erfahrungen Erneuerbarer Energien 2014-03-06

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One response to “Wie politische Erfahrungen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien für die Tierrechtsbewegung genutzt werden können

  1. Ein erster Kommentar zum Begriff der Zoopolis, der sich ja nicht von selbst versteht und der, finde ich, am Anfang eines solchen Blogs auch mal angeschaut werden darf: “Stadt der Tiere” also, oder “Stadt der Lebewesen”, aus dem Altgriechischen. Finde das insofern interessant, da wir politisch-philosophisch das Stadtkonzept der “guten Stadt” in der Antike betrachten können und uns fragen, ob wir das heute im Sinne von einem Miteinander mit anderen Lebewesen wollen. Außerdem klingt, finde ich, in “Zoopolis” an, dass man auch das Demos der Polis, das Volk der Stadt, stärker an Lebewesen als nur an Menschen orientiert, was ja im Buch auch so vielfach besprochen wird. Kymlicka und Donaldson haben den Begriff ja selbst aus der Öko-Stadt-Architektur geliehen, aber für Ihr Konzept sehr brauchbar genutzt. Insgesamt bin ich von diesem Titel begeistert!

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